Redox3 06A - Chlor-Alkali-Elektrolyse


Exkurs: Zum Umgang mit der Spannungsreihe 

Für die Redoxchemie des Wassers sind 4 Gleichungen wichtig.


● Gleichung 1 entspricht Gleichung 2  

Die OZ von H ändert sich in Gleichung 1 von 0 (im H2) auf +II (im H2O).

Die OZ von H ändert sich in Gleichung 2 von 0 (im H2) auf +II (im H3O+).

In Gleichung 1 stehen 2 OH- links, OH- wird „verbraucht“   

In Gleichung 2 stehen 2 H3O+ rechts, H3O+ entsteht.   

● Gleichung 3 entspricht Gleichung 4  

Die OZ von O ändert sich in Gleichung 3 von –II (im OH-) auf 0 (im O2).

Die OZ von O ändert sich in Gleichung 3 von –II (im H2O) auf 0 (im O2).

In Gleichung 3 stehen 4 OH- links, OH- wird „verbraucht“   

In Gleichung 4 stehen 4 H3O+ rechts, H3O+ entsteht.   

● Wenn OH- entsteht, wird H3O+ verbraucht. Wenn H3O+ entsteht, wird OH- verbraucht. Dies lässt sich auch durch das Prinzip von Le Chatelier deuten:

Wenn bei einer Reaktion H3O+ verbraucht wird, verschiebt sich das Autoprotolysegleichgewicht 2 H20 <=> 2H30+ + OH- nach rechts, es wird also OH- gebildet.   

Welche Gleichung nimmt man nun zur konkreten Beschreibung einer Reaktion?

Als Faustregel gilt:  

Im sauren Milieu (bei pH<7) sollte der Ladungsausgleich mit H3O+ erfolgen, 

Im alkalischen Milieu (bei pH>7) sollte der Ladungsausgleich mit OH- erfolgen, man sollte eine Gleichung verwenden, in der OH- auftritt.

Ob eine Reaktion abläuft oder nicht, wird in der Regel vom Abscheidungspotential (E+η) entschieden. Das exakte Elektrodenpotential E muss mit Hilfe der NERNST-Gleichung berechnen.

Das Standardpotential E° gilt für Normalbedingungen.

Da sich mit E°-Werten (und ohne NERNST-Gleichung) leichter rechnen lässt, macht man oft folgende Vereinfachungen:    

- Für pH ≈ 0 nimmt man oft pH=0 an, um mit E° rechnen zu können.   

- Für pH ≈ 14 nimmt man oft pH=14 an, um mit E° rechnen zu können.  

- Fur andere Ionenkonzerntationen nimmt man oft eine c= 1 mol/l an!

Oft werden Gleichungen (je nach Buch) unterschiedlich formuliert. So finden sich  

z. B. für die Kathodenreduktion beim Membranverfahren  2 Formulierungen:      

2 H2O + 2e- → H2  +2 OH-

-0,83 V (pH = 14!)

=> 0 V (pH = 0)

2 H3O++2e- → H2 + 2 H2O

 0 V (pH = 0)

=> -0,83 V (pH = 14!)

Für die Berechnungen von Abscheidungspotentialen ist es - egal welche Gleichung man nimmt - wichtig auf den passen pH-Wert zu achten. Da im Kathodenraum eine verdünnte NaOH (pH ≈ 14) vorliegt, gilt in jedem Falle: E° = -0,83V!

 







Chlor-Alkali-Elektrolyse

Ziel der Chlor-Alkali-Elektrolyse ist es, die begehrten Grundchemikalien Chlor Cl2, Wasserstoff H2 und Natronlauge NaOH Elektrolyse herzustellen. Es gibt verschiedene Verfahren: Das Diaphragma-Verfahren gilt als veraltet. Das Amalgan-Verfahren, bei dem Quecksilber eingesetzt wird, gilt als umweltgefährdend, denn Hg-Verbindungen können die gefährliche Minimat-Krankheit) auslösen. Alle neuen Anlagen laufen nach dem Membranverfahren ab. Der vereinfachte Versuchaufbau für dieses Verfahren sieht so aus: 




- Anodenraum und Kathodenraum sind durch eine Membran getrennt, die für Kationen durchlässig ist und für Anionen undurchlässig.

- Die Kationen Na+ und H3O+-Ionen können durch diese „Kationentauscher“-Membran durchwandern, Anionen wie OH- und Cl- nicht.

Im Anodenraum befindet sich eine  Natriumchlorid-Lösung. (pH ≈ 7)        

Im Kathodenraum befindet sich eine verdünnte NaOH-Lösung (=> pH = hoch!)   


Es sind folgende Anodenoxidationen möglich:

Möglichkeit 1: (vgl.: IQB-Spannungsreihe)

 

 

 

E°(Cl-/Cl2)

 

 

 2 Cl-

   →

Cl2 + 2e-

+1,36V

pH-unabhängig

Möglichkeit 2a: (vgl.: IQB-Spannungsreihe für pH =  14)

 

 

 

E°(OH-/O2)

 

 

4 OH-

   →

O2 +2 H2O + 4e-

+ 0,40 V  pH=14

und +1,23V bei pH = 0 !

Die OZ von O ändert sich in 2a von –II (im OH-) auf 0 (im O2).

Bei Standardbedingungen (c = 1mol/l) gilt: c(OH-) = 1mol/l => pH = 14

Es wäre übrigens auch möglich, diese Gleichung 2a anders zu formulieren:

=> Möglichkeit 2b (vgl.: IQB-Spannungsreihe)

 

 

 

E°(H2O/O2)

 

 

6H2O

   →

O2 + 4 H3O+ +4e-

+1,23 V pH = 14

und + 0,40 Volt bei pH = 0!

Die OZ von O ändert sich (auch hier) in 2b von –II (im H2O) auf 0 (im O2).

Bei Standardbedingungen (c = 1mol/l) gilt: c(H3O+) = 1mol/l => pH = 0

Gleichung 2a (formuliert für pH=14) und 2b (für pH=0) entsprechen einander: Im Vergleich von 2a und 2b erkennt man: In 2a stehen 4 OH- links, in 2b stehen 4 H3O+ rechts.

Im Anodenraum (mit einer neutralen NaCl-Lösung) herrscht ein pH-Wert von 7.

Beide Gleichungen (2a oder 2b) könnten verwendet werden.

Das exakte Elektrodenpotential E müsste man mit Hilfe der NERNST-Gleichung berechnen. Das Rechnen lohnt sich nicht, denn die Bildung von O2 läuft nicht ab! 

Fest steht: Würde man nur die Standardpotentiale betrachten, so würde sich an der Anode O2 bilden. Aber: An der Anode bildet sich Cl2 und kein O2!

Ursache: An einer Platin-Elektrode gelten folgende Überspannungen:

η (H2) = -0,16V  

η (Cl2) = 0,05V  

η (O2) = 1,28V 

 

 

Aufgrund der hohen Überspannung bildet sich kein O2

 

Es läuft folgende Anodenoxidation ab: 2 Cl-   → Cl2 + 2e- (E°=1,36V)



Es sind folgende Kathodenreduktionen möglich:

Möglichkeit 1:

 

 

 

E°(Na/Na)

 

 

 Na+

 + e-

→ Na

-2,71 V

läuft nicht ab

Man erkennt als Expertin oder Experte schnell: Wegen des hohen Elektrodenpotentials ist diese Reaktion kaum möglich, selbst wenn man mögliche Überspannungen berücksichtigt!

Möglichkeit 2a: (vgl.: IQB-Spannungsreihe)

 

 

 

E°(H2/H3O+)

 

2 H3O+ + 2e- → H2 + 2 H2O

0 V bei pH = 0

-0,83 V bei pH = 14!

Die OZ von H ändert sich in 2a von +I (im H3O+-) auf 0 (im H2).

Bei Standardbedingungen (c = 1mol/l) gilt: c(H3O+) = 1mol/l => pH = 0

An der Kathode entsteht H2.

Es wäre aber auch möglich, Gleichung 2a anders zu formulieren, zumal der pH-Wert eher bei 14 liegt und daher ein Ladungsausgleich mit OH- sinnvoll ist. 

=> Möglichkeit 2b (vgl.: IQB-Spannungsreihe)

 

 

 

E°(H2/H3O+)

 

 

2 H2O + 2e- → H2  +2 OH-

 -0,83V
bei pH =14

K-Red bei pH = 14!

Die OZ von H ändert sich (auch) in 2b von +I (im H2O) auf 0 (im H2).

Bei Standardbedingungen (c = 1mol/l) gilt: c(H3O+) = 1mol/l => pH = 0

Gleichung 2a (formuliert für pH=14) und 2b (für pH= 0) entsprechen einander!

 

Klingt verwirrend, Nun auf jeden Fall gilt für pH≈14, ob man nun Möglichkeit 1 oder 2 nimmt:
E°=-0,83V    



Berechnung der tatsächlich nötigen Zersetzungsspannung Uz (bzw. ΔE) bei der Chloralkali-Elektrolyse

Zur Erinnerung: An einer Platin-Elektrode gelten folgende Überspannungen:

η (H2) = -0,16V  

η (Cl2) = 0,05V  

η (O2) = 1,28V 

 

ΔE =  ΔE =  E (+) – E (-) => bei der Elektrolyse also: ΔE =  E (A) – E (K)

ΔE =  [tatsächliches Abscheidungspotenzial (A)] – [tats. Abscheidungspotenzial (K)]
Δ
E = Uz

 

Uz =   [E(A) + η (A)] - [E(K) + η (A)]

Uz=  [1,36V + 0,05V] -  [-0,83V* + -0,16V] * bei pH =14!

Uz=  [1,41V] -  [-0,99V]

Uz=  2,40 V (bei der Verwendung von Pt-Elektroden) und Standardbedingungen.

 

Da c(OH-) vermutlich < 1mol/l ist und c(Cl-) sicherlich > 1mol erhöht sich diese Zersetzungsspannung noch einmal!     

Zudem gilt: In der Praxis arbeitet man beim Membranverfahren nicht mit zwei Platin-Elektroden, sondern mit einer Titan-Anode und einer Stahl-Kathode.

In der Praxis muss man Spannungen von >4,5V anlegen, um die Elektrolyse ablaufen zu lassen.


Warum entsteht bei der Chloralkali-Elektrolyse Natronlauge?  

Es gibt zwei Gleichgewichte, die die Bildung von Wasserstoff an einer Kathode beschreiben:

Die OZ des H ändert sich dabei +I (a im H3O und b im H2O) auf 0 (im H2O):

[a] 2 H3O+ + 2e- <=> H2 + 2 H2O

bzw.: [b] 2 H2O + 2e- <=> H2  +2 OH-

Für eine Gleichgewicht, in dem H3O+ rechts steht (= verbraucht wird), lässt sich auch eine entsprechendes Gleichgewicht formulieren, in dem OH- links steht (also entsteht).

Wird bei einer Reaktion auf der rechten H3O+-Ionen verbraucht werden, dann entstehen auf der linken  OH-–Ionen.

Beide Gleichgewicht drücken also aus, dass OH- entsteht.

Da sich im Kathodenraum OH- entwickelt (pH ist eher 14), ist es sinnvoll, die Kathodenreduktion als Gleichung [b] zu formulieren! Die entstehenden OH--Ionen bilden zusammen  den Na+-Ionen Natronlauge.

              

Bei der Chloralkali-Elektrolyse muss man Kathodenraum und Anodenraum durch eine Wand trennen. Beim veralteten Diaphragmaverfahren verwendet man eine Trennwand, die für Anionen und Kationen durchlässig ist.

Beim Membranverfahren verwendet man eine kationendurchlässige Trennwand („Kationentauschmembran“)   

Für die Trennung von Anodenraum und Kathodenraum sprechen zwei Gründe:

1. Grund:

Das an der Anode gebildete Cl2 darf nicht mit dem an der Kathode gebildeten Wasserstoff  (H2) in Kontakt kommen, da sonst die Gefahr einer Chlorknallgas-Explosion (H2 + Cl2 => 2 HCl) droht!

2. Grund:

Das an der Anode gebildete Cl2 darf auch nicht mit den im Kathodenraum gebildeten OH--Ionen in Kontakt kommen. Das erwünschte Produkt Cl2 würde ansonsten zu Chlorid  Cl- und Hypochlorid OCl- reagieren. Es handelt sich dabei um eine Disproportionierungs-Reaktion, also eine Reaktion, bei der ein Stoff mittlerer Oxidationsstufe einerseits in einen Stoff höherer Oxidationsstufe und andererseits in einen Stoff niedrigerer Oxidationsstufe überführt wird.    

Einerseits gilt: Cl2 wird zu OCl-; anderseits gilt: Cl2 wird zu Cl-!

Die Herleitung der vollständigen Redoxgleichung ist Hausaufgabe!.

 

Die chemischen Vorgänge an den Elektroden entsprechen denen beim veralteten   Diaphragmaverfahren.

Auch beim Diaphragmaverfahren wird eine Trennwand verwendet, um zu verhindern, dass das gebildete Cl2 1. mit H2 oder 2. mit OH- reagiert.


Der große Unterschied zwischen beiden Verfahren ist: 

Beim Diaphragmaverfahren ist die Trennwand (das Diaphragma) nicht nur für Kationen, sondern auch für Anionen (wie Cl-) durchlässig.

Aufgrund der Durchlässigkeit für Cl--Ionen entsteht beim Diaphragmaverfahren eine mit (Natrium-)Chlorid verunreinigte Natronlauge. 


Diaphragmaverfahren

Bei dem Diaphragmaverfahren werden die Reaktionsräume von Oxidation und Reduktion getrennt, so dass Chlorgas nicht mit Hydroxidionen zu Hypochlorit disproportionieren kann

 

Der Vorteil des Membranverfahrens (siehe Bild viel weiter oben): Es entsteht eine hochreine Natronlauge mit einem Choridgehalt, der weit unter 50 ppm liegt.  

ppm = parts per million


Eine ganz einfache Erklärung zur Chlor-Alali-Elektrolyse gibt es nicht!

Bei Youtube findet man z. B. folgende Erklärvideos:

Die Chloralkali-Elektrolyse (Redox)

https://www.youtube.com/watch?v=MLSjBG7NPKo

Q12C Die Chlor Alkali Elektrolyse - ausführliche Fassung

https://www.youtube.com/watch?v=coOFKeECqWQ


Aufgabe für Experten: Exakte Berechnung der Abscheidungspotentiale für die Chloralkali-Elektrolyse für die Anodenoxidation bei pH=7. Im Anodenraum liegt eine NaCl-Lösung vor..

Zur Erinnerung: An einer Platin-Elektrode gelten folgende Überspannungen:

η (H2) =-0,16V  

η (Cl2) = 0,05V  

η (O2) = 1,28V 

1. Möglichkeit der Anodenoxidation:

2 Cl-   → Cl2 + 2e- ; E ist pH-unabhängig!

Für das Abscheidungspotential gilt: EAB = E + η

Vereinfachende Annahme: c(Cl-)= 1mol/l

=> E(Cl2)=E°(Cl2) = +1,36V

EAB(Cl2)= 1,36V + 0,05V(Pt)

EAB(Cl2)= 1,41

2. Möglichkeit der Anodenoxidation:

4 OH-   → O2 + 2 H2O + 4 e-+ 0,40 V  pH=14; E ist pH-abhängig!

Da ein pH-Wert von 7 vorliegt, gelten keine Standardbedingungen

wir müssen E(O2/OH-) mit Hilfe der NERNST-Gleichung berechnen! 

mit c(H2O) = 1 und c(H2O) =1 und c(OH-) =10-7mol/l und z = 4 ergibt sich: 

E(O2/OH--) = 0,81 V

EAB((O2/OH-)= 0,81V + 1,28 V(Pt)= 2,09V

EAB(Cl2) = 1,41V < EAB((O2/OH-)= 2,09V

=> An der Anode entwickelt sich Cl2