Kunststoffe 10 - Kautschuk - Vom weinenden Holz zum Gummireifen
Naturkautschuk wird in Plantagen aus dem „Kautschukbaum“ („Hevea brasiliensis“) gewonnen.
Schneidet man die Rinde des Baumes an, so fließt ein Milchsaft („Latex“) heraus.
Trennt man aus einer zähflüssigen Latex-Emulsion das Wasser ab, so erhält man Rohkautschuk. Das deutsche Wort Kautschuk (französisch caoutchouc, spanisch caucho, früher cauchuc) geht auf eine indigene Sprache Perus zurück.
Der Ausdruck steht für caa ochu, gebildet aus den Wörtern caa ‘Baum’, ‘Holz’ und ochu ‘Träne’, ‘Blut’ und bedeutet das „weinende“, „blutende Holz“ oder „Tränen des Baumes“ bzw. weinender Baum“.
Der Name „Latex“ stammt aus dem Lateinischen. Im Lateinischen bedeutet „latex“ ursprünglich „Flüssigkeit“, insbesondere „Körpersaft“. In der modernen Nutzung wird Latex speziell für den milchigen Pflanzensaft verwendet, der Kautschuk enthält.
Videotipp:
043 Kautschuk Charles Goodyear & Fritz Hofmann Meilensteine der Naturwissenschaft & Technik
Vgl.: Meilensteine der Naturwissenschaft und Technik: Kautschuk - Charles Goodyear und Fritz Hofmann | Schulfernsehen | Lernen | ARD alpha
https://www.ardalpha.de/lernen/schulfernsehen/meilensteine-kautschuk-goodyear-hofmann100.html
Die ältesten Gegenstände aus Kautschuk stammen aus der Zeit um 1600 v. Chr. Die Völker des mittelamerikanischen Mesoamerikas und die indigenen Völker Amazoniens nutzten Naturkautschuk bereits in präkolumbianischer Zeit in vielfältiger Weise. Am bekanntesten ist das Mesoamerikanische Ballspiel mit einem Vollgummi-Ball.
Die Maya sollen Beispiel ihre Füße mit einem begrenzt haltbaren, wasserabweisenden Gummiüberzug versehen haben. Aus Kautschuk wurden Schläuche, Gefäße, Fackeln und sogar Kleidungsstücke hergestellt.
Historischer Exkurs:
Der Kautschuk Boom
Die Entdeckung der Gummiherstellung (der Vulkanisierung des Kautschuks zu Gummi) durch Charles Goodyear führte nach 1839 zu einem enormen Wachstum der Nachfrage nach Kautschuk für die Industrie. Kautschuk wurde ein wichtiger Rohstoff von vielen Produkten der Industrialisierung ( Regenmäntel, Schuhe, Fahrradreifen, später auch Autoreifen).
Diese erhöhte Nachfrage nach Kautschuk führte in Peru und den brasilianischen Amazonasregion in den Jahren von 1839 bis 1910 zu einem Kautschukboom, welcher die Städte Manuas und Belem zu den damals reichsten Regionen Brasiliens machte. Der Kautschukboom wurde durch die extravagante Lebensart der Kautschukbarone geprägt.
Das Bild, eine Zigarre mit Geldscheinen anzuzünden, wurde dadurch bekannt. Während des Kautschukbooms entstand z. B. das Opernhaus Teatro Amazonas in Manaus.
Der Film „Fitzcarraldo“ von Werner Herzog aus dem Jahr 1982 machte das Teatro Amazonas auch in Deutschland bekannt: Hauptfigur des Films ist Carlos Fermín Fitzcarrald von den Peruanern „Fitzcarraldo“ genannt. Er ist besessen davon, im peruanischen Dschungel ein Opernhaus nach dem Vorbild des Teatro Amazonas in Manauszu errichten und den Opernsänger Enrico Caruso zu engagieren.
Vgl.: FITZCARRALDO | Trailer / Deutsch | Werner Herzog, Klaus Kinski | ARTHAUS
Ende des Kautschukbooms
Das Ende des Kautschukbooms wurde 1876 eingeleitet: Der britische Naturforscher Henry Wickham schaffte es, entgegen dem brasilianischen Exportverbot, Samen des Kautschukbaums zu sammeln. Aus den von Wickham gesammelten 70.000 Samen wuchsen in Gewächshäusern in London über 2.000 kleine Bäume heran, welche nach British Malaya (heute Singapur) verschifft wurden.
Die lange Überfahrt schafften lediglich 8 Kautschukpflanzen, die bis heute den Grundstock für sämtliche Kautschukplantagen in Südostasien bilden. Die bis dahin bestehende Monopolstellung Brasiliens war aufgebrochen und dies beendete dadurch den südamerikanischen Kautschukboom. 1910 verfiel der Kautschukpreis.
Die weltweit größten Kautschuk-Produzenten im Jahr 2023 waren Thailand, Indonesien und Malaysia. Brasilein ist auf Platz 10 zurückgefallen.
Henry Wickham’s Epic Rubber Expedition: How One Man Changed the World | History Spark Ai - https://www.youtube.com/watch?v=9cq4AmPDBac
Expertenwissen - Polyisoprene
Polyisopren ist eine Sammelbezeichnung für Polymere, die aus Isopren (2-Methylbuta,1,3-dien) hergestellt werden. Prinzipiell können sich vier verschiedene Isomere bilden:
a) Polyisoprene in der Natur:
- Kautschuk besteht aus cis-1.4-Poolyisopren
- Der weniger bedeutsame gummiartige Stoff Guttapercha besteht aus 1,4-Polyisopren
b) künstlich hergestellte Polyisoprene
Bei der künstlichen Herstellung von Polyisoprenen bilden sich keine reinen Isomere.
Technisch wichtig ist cis-1,4-Polyisopren das auch Isopren-Kautschuk (Kurzzeichen IR) genannt wird.
Kautschuk besteht aus dem Polymer „cis-1,4-Polyisopren“ mit der Monomereinheit „Isopren“ (2-Methylbuta-1,3-dien)! n = ca. 3000
1,4-Polymerisation von Isopren: Das 1. und 4. C-Atom des Monomers werden miteinander verknüpft!
Für Experten: Isopren-Monomere können auch durch 1,2-Addition (oder eine ähnlich ablaufende 3,4-Addition) verknüpft werden. Eine 1,2-Addition von Isopren wäre wie folgt denkbar:
1,4-Polymerisation: Das 1. und 2. C-Atom des Monomers werden miteinander verknüpft!
Vulkanisation – Vom Kautschuk zum Gummi
Videotipp: 043 Kautschuk Charles Goodyear & Fritz Hofmann Meilensteine der Naturwissenschaft & Technik
https://youtu.be/UOmU8SWC44I?t=178
ab Sendeminute 3!
Die langen Polymerketten des Kautschuks sind die frei gegeneinander verschiebbar. Kautschuk ist ein typischer Thermoplast. Setzt man Kautschuk bei Hitze mit Schwefel um (man nennt dies: „Vulkansation“), so entsteht das Elastomer Gummi, weil sich zwischen den zwischen den Polymerketten Schwefelbrücken von unterschiedlicher Länge bilden.
Vulkanisation = Vernetzung von thermoelastischen Kautschuk-Polymeren zum elastischen Gummi durch Erhitzen mit Schwefel.
Für Experten: Beim Erhitzen von Schwefel zerbrechen Bindungen:
Entscheidend für die Vulkanisation (vom Kautschuk zum elastischen Gummi):
Es bilden sich S-Brücken unter „Auflösung“ von C=C Doppelbindungen = > Quervernetzungen (typisch für Elastomere!) werden möglich!
Bei einem Massenanteil von 1 bis 5 % Schwefel erhält man Weichgummi, bei einem Massenanteil von 30 bis 40 % Hartgummi.